In der Chatgruppe des TINCON-Jugendbeirats tauchte vergangene Woche diese Nachricht auf:
Hallo ihr lieben Menschen,
ich bin auf einer berufsbildenden Schule und für eine Aktion wurden verschiedene Parteien eingeladen, welche dann alle einen Stand auf dem Schulhof aufbauen und mit den Schüler*innen reden können. Dieses Mal ist zum ersten Mal die AfD dabei.
Die Schülervertretenden sind bereits zur Schulleitung gegangen, diese sagt, man müsse rechtlich alle Parteien einladen. Zudem hat sie wohl gesagt, dass wir nicht protestieren sollten, da die Presse da sein wird und wir "nicht negativ auffallen" sollen...
Ich habe gestern angefangen zu recherchieren und zu dieser Rechtslage nur Texte bezogen auf Podiumsdiskussion gefunden... Hat wer von euch Erfahrungen oder Ideen in die Richtung?
Was folgte war ein reger Austausch mit vielen guten Gedanken und praktischen Tipps. Hat die Schule recht, wenn sie sagt, dass sie alle Parteien einladen muss? Was kann man in diesem Fall als Schüler*in tun? Was ist erlaubt, was nicht?
Falls ihr in einer ähnlichen Situation seid, haben wir hier einen Leitfaden für euch zusammen getragen.
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Müssen Schulen allen Parteien gegenüber neutral sein?
Kurze Antwort: Nein.
Es stimmt zwar, dass Lehrkräfte und Schule ihre Aufgaben unparteiisch erfüllen müssen und in der Schule keine politischen Bekundungen abgeben dürfen, allerdings hat die Schule einen Lehrauftrag im Sinne der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
Das Schulrecht ist von Land zu Land etwas unterschiedlich, im Kern steht dort aber immer folgendes:
Der Schulunterricht und die schulische Erziehung erfolgen auf der Grundlage des Grundgesetzes und der Landesverfassung[...]. Bildungs- und Erziehungsziele sind die Achtung vor der Würde des Menschen und die Bereitschaft zum sozialen Handeln. Die Erziehung soll im Geiste der Menschlichkeit, der Demokratie und der Freiheit, aber auch in Liebe zu Volk und Heimat sowie zur Völkergemeinschaft und Friedensgesinnung erfolgen und zur Achtung vor der Überzeugung des anderen hinführen. Schülerinnen und Schüler sollen befähigt werden, am politischen Leben teilzunehmen. Sie sollen lernen, die eigene Meinung zu vertreten und die Meinung anderer zu achten, Menschen unterschiedlicher Herkunft vorurteilsfrei zu begegnen, für ein diskriminierungsfreies Zusammenleben und für die Demokratie einzustehen sowie die grundlegenden Normen der Verfassung zu verstehen.
Wer diese Anforderungen nicht erfüllt, darf in Gesprächsrunden oder Informationsveranstaltungen außen vor gelassen werden. Politische Vertreter*innen haben kein Recht auf eine Einladung.
Wenn eure Schule sagt, sie ist dazu verpflichtet, neutral zu sein und dass das bedeutet, allen Parteien eine Plattform zu bieten, ist sie entweder schlecht informiert oder möchte sich aus der Verantwortung ziehen. Dagegen könnt ihr aber etwas tun.
Eure Schule gibt rechtsextremen und anti-demokratischen Parteien Raum? Das könnt ihr tun, swipet euch durch:
Warum solltet ihr euch an eurer Schule gegen anti-demokratische Parteien einsetzen?
1. Anti-demokratische Parteien möchten bestimmte Menschen aus der Gesellschaft ausgrenzen, darunter queere Personen oder Personen mit Migrationshintergrund. Wahrscheinlich habt ihr Mitschüler*innen, die das betrifft. Stellt euch vor, wie sie sich fühlen müssen – und wie viel Mut ihr ihnen gebt, wenn ihr euch auf ihre Seite stellt.
2. Das Schulrecht verlangt, dass eure Schule dafür sorgt, dass Schüler*innen lernen "die eigene Meinung zu vertreten und die Meinung anderer zu achten, Menschen unterschiedlicher Herkunft vorurteilsfrei zu begegnen, für ein diskriminierungsfreies Zusammenleben und für die Demokratie einzustehen sowie die grundlegenden Normen der Verfassung zu verstehen." Indem ihr gegen Auftritte von Parteien vorgeht, die diskriminierend und gegen die Verfassung agieren, handelt ihr im Sinne des Schulgesetzes.
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Quellen und noch mehr Infos:
bpd: Was man sagen darf: Mythos Neutralität in Schule und Unterricht
GEW: Hinweise für die Durchführung politischer Veranstaltungen in der Schule
Schule ohne Rassismus: AfD an Schulen: Einladen, oder nicht?
Spiegel: »Politik-Speed-Dating« ohne AfD – Schule gerät unter Druck
Franziska Schutzbach: Die Rhetorik der Rechten – Rechtspopulistische Diskursstrategien im Überblick
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