Text: Leonie Förderreuther / U21-Team
Vor drei Wochen hat die TINCON im Rahmen des Training Days auf dem Reeperbahn Festival ein Panel zum Thema “Wie werde ich ein*e gute*r Musikjournalist*in?” präsentiert. Als Person, die selbst davon träumt, irgendwann Fuß im Musikjournalismus zu fassen, habe ich mich sehr auf die Diskussionsrunde gefreut.
Moderiert von Sofia und Omeima aus dem U21-Redaktionsteam , drehte sich das Gespräch um die Werte, die die Gäst*innen Aida Baghernejad , Daniela Ammermann und Tobi Lee in ihre Arbeit einbringen und ihren Weg zum Traumberuf. Außerdem diskutierten sie, wann ein guter Zeitpunkt ist, um angemessene Bezahlung zu verlangen - eine Frage, die auch mich und viele in meinem Umfeld gerade sehr beschäftigt.
Da alle drei Gäst*innen sich in verschiedenen Medien bewegen – Tobi Lee ist im Radio, Daniela Ammermann (mittlerweile) hauptsächlich vor der Kamera, Aida Baghernejad hält neben dem Moderieren und Podcasten immer noch an ihrer Hassliebe zum geschriebenen Wort fest – hatten natürlich auch alle verschiedene Standpunkte dazu, wie man seine Arbeit als Musikjournalist*in definiert und darin vorgeht.
So ist es Tobi Lee beispielsweise sehr wichtig, mit seinen Gäst*innen ein angenehmes Gespräch auf Augenhöhe zu führen, in das er auch seine eigene Person mit einbringt – schließlich ist es seine Sendung – und die Inhalte für möglichst viele Menschen einfach zugänglich machen möchte. Dani und Aida legen dagegen großen Wert auf das Kontextualisieren von Inhalten und das Stellen von kritischen Fragen. Es ginge nicht darum, Musik nachzuerzählen, sondern den Rahmen um sie herum zu eröffnen. Sie möchten erforschen, die Künstler*innen in deren Erzählung ernst nehmen und dabei empathisch agieren. Die besten Interviews sind die, bei denen die Moderationskarten irgendwann unwichtig werden, weil sich das Gespräch von alleine entfaltet. Darauf konnte man sich einigen.
Wie so viele Journalist*innen und Personen, die in der Kulturbranche arbeiten, waren die drei aber nicht von Anfang an in der Position, in der sie heute sind. Tobi hatte sich von einem Praktikum bis zur eigenen Radiosendung bei Jam FM hochgearbeitet . Aida und Dani mussten sich jahrelang von einem kaum bis gar nicht bezahlten Praktikum oder Job zum nächsten hangeln. Bis heute ist ein Abschluss in der Branche zwar gerne gesehen, am Ende ist die Arbeitserfahrung aber das, was am meisten zählt: “Eigentlich soll ich mit zwanzig, wenn ich gerade einsteige, schon dreißig Jahre Arbeitserfahrung mitbringen, sonst will mich keiner.” , erzählte Aida. Sie hat irgendwann einfach nur noch Redaktionen angeschrieben und ihnen erklärt, warum das Team ausgerechnet sie braucht. “Nervt die ruhig. Schlimmer als eine Absage kann es nicht werden”.
Gleichzeitig ist es natürlich problematisch und macht den Beruf super elitär, dass es so lange dauert, bis man endlich ordentlich bezahlt wird – manchmal klappt es sogar nie. Dazu entfachte sich eine spannende Diskussion zwischen den drei Gäst*innen zum Thema Bezahlung und Rechtfertigung von unbezahlten Jobs und Praktika. Man nimmt Erfahrungen und Skills davon mit, vieles im Journalismus kann man nur durch Übung lernen, nicht in Universitätshörsälen , aber irgendwann muss die Miete auch bezahlt werden. In der Branche muss sich einfach grundlegend etwas ändern.
Das Panel war keine Step-by-Step Anleitung zum Journalismus, klar, das geht ja gar nicht. Am Ende gilt: ausprobieren, so viel mitnehmen wie es geht, auch Aufträge annehmen, die auf den ersten Blick eine Nummer zu groß erscheinen und keine Kommentare unter YouTube Videos lesen. In einem Berufsfeld, in dem es praktisch unmöglich ist, objektiv zu bleiben, ist das, was wirklich zählt, die Begeisterung und das ehrliche Interesse, dann wird es auch irgendwie gut. Ich übernehme jetzt einfach das Schlusswort aus dem Panel: Bleibt hartnäckig!
Mehr Tipps zum Thema Musikjournalismus findet ihr im TINCON-Talk auf dem Reeperbahn Festival Training Day 2020. Mit Salwa Houmsi, Miriam Davoudvandi, Aimen Abdulaziz-Said und Jan Kawelke.
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Melanie Gollin
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