15. Mai 2018

Netzfest – Wo Jugendliche vor Berliner Bürger*innen sprechen

Samstag nach der re:publica: Kaiserwetter in Berlin und viele Besucher*innen auf den Netzfest im Park am Gleisdreieck. On Top gibt’s smarte Vorträge der TINCON-Speaker vor ungewohntem Publikum: bunt gemischte Berliner Bürger*innen lauschen interessiert, fragen nach und diskutieren mit Jugendlichen im überfüllten TINCON-Zelt – ein Traum!

Es ist einfach so – das Netzfest, das erste „digitale Volksfest“ nach der re:publica – hatte alles. Da wäre zum einen die Location – der Gleisdreieckpark ist wunderschön und weitläufig. Das Wetter war hervorragend. Es gab von Bio-Bratwurst, über frischem Dürüm samt hausgemachtem Ayran bis hin zu Pasta und kühlen Getränken alles und noch dazu hatten wir ein eigenes TINCON-Zelt, dass wir dazu nutzten, unseren U21-Speakern eine Bühne zu geben. Besucher*innen konnten also einen extrem entspannten Samstag erleben, bei dem es dazu noch ein wenig geistigen Input gab. Die Mischung war also, es lässt sich nicht anders sagen, perfekt.

Zugegeben: Samstagmorgen um 10 Uhr direkt mit einem Workshop ins TINCON-Programm auf dem Netzfest im Gleisdreieckpark zu starten, das war ein Risiko. Es war das erste Netzfest überhaupt, niemand wusste, ob überhaupt Menschen das Netzfest besuchen wollten. Noch dazu haben unsere Speaker in dieser Form noch nie einen Workshop gegeben. Zudem war das Netzfest ein öffentlicher Ort, anders als die re:publica, die eher Fachpublikum anzieht.

Mariella und Laura: How to instagram

Niemand wusste auch, ob die Besucher*innen des Netzfestes dann direkt an einem Workshop mit dem Namen “How to Instagram” teilnehmen wollten.

Sie wollten. Bereits halb 10 kommen die ersten Teilnehmenden, um sich einen Platz zu reservieren. Pünktlich zu Workshopbeginn war das bunt gepunktete TINCON-Zelt voll. Mariella und Laura trafen auf eine interessierte Runde. Mariella erzählt, was das Besondere an Instagrams Story Funktion ist: “Von Kurzfilmen bis zu Journalismus ist im Prinzip alles möglich!”

CC0 Lizenz: Daniel Großjohann/re:publica
CC0 Lizenz: Daniel Großjohann/re:publica

Und dann werden die beiden Expertinnen direkt mit Fragen bombardiert: “Wie funktionieren die Hashtags Wie die Empfehlungen? Was hat es mit den Standorten auf sich? Kann ich Storys auch mehr als 24h sichtbar machen?” Wäre es nach den Teilnehmenden gegangen, die beiden hätten vermutlich noch sehr viel länger erklären können – schließlich wurde es aber Zeit für den nächsten Talk

Kolja – Zukunftsvision Blockchain

Mit 13 hat Kolja angefangen, sich mit der Blockchain auseinanderzusetzen. Er kaufte 0,2 Bitcoins – die er schließlich an eine Abzockerwebseite verkauft, die ihm eine enorme Rendite verspricht. Schließlich geht die Webseite offline. Das Geld – das virtuelle wie das traditionelle – sieht er nie wieder.

Seitdem informiert Kolja über die Blockchain. Aus seinem Anfängerfehler hat er gelernt. Blockchain, das ist ein komplexes Thema, aber dennoch schafft Kolja es, den Menschen in dem vollbesetzten Zelt einen Überblick über die Funktionsweise über die Technologie zu geben. Der Reihe nach kann man die Groschen nahezu fallen hören.

© Linda Lindusch
© Linda Lindusch

Für Kolja ist die Blockchain “die bedeutendste Technologie der nächsten Jahre. Ihr disruptiver Effekt wird größer sein, als der, den das Internet hatte.” Digitale Währungen wie Bitcoin und Etherum sind dabei nur ein Aspekt, sagt Kolja: “Die Möglichkeiten der Blockchain sind mehr als nur Finanzaustausch. Es geht um sichere Kommunikation, den Schutz von Urheberrechten, Entwicklungsarbeit und mehr.”

Nora – Selbstbewusst aufwachsen mit (und trotz) Social Media

Auf der großen Bühne des Netzfestes hielt Nora ihren Vortrag, den sie bereits auf der re:publica vor vollem Haus hielt, nochmal. Sie reflektierte über ihr Aufwachsen mit Social Media und stellte mit zwei Freundinnen das Online Magazin TierInDir  vor, dass die drei selbst gründeten.

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Frenze – How to Blog  

Frenze gibt in ihrem Workshop praktische Tipps für den eigenen Blog. Welcher Anbieter ist geeignet? Wie gestalte ich meinen Blog – und wie pflege ich ihn gut?

Mit dabei hat Frenze auch zwei Aufgaben für alle Teilnehmenden. Frenze möchte beispielsweise, dass alle sich einen Titel für ihren ersten Blogeintrag ausdenken. Wichtig beim Bloggen für Frenze: “Ihr müsst euren eigenen Stil finden. Auch wenn das etwas dauert. Bei mir hat das auch zwei Jahre gedauert.”

CC0 Lizenz: Daniel Großjohann/re:publica
CC0 Lizenz: Daniel Großjohann/re:publica

Die jüngste Teilnehmerin des Workshops ist erst 9 Jahre und vielleicht eine der Mutigsten von allen Anwesenden, willigte Sie doch sofort ein, dass ihr Anfang für einen Blogeintrag vorgelesen wird: “Es gibt viele, viele sehr gute Bücher, aber nur eins ist mein Lieblingsbuch.” – Frenze fand, “das ist wirklich ein sehr schöner Beginn!”

Tomasz – Journalismus auf Youtube – ein Trauerspiel

Ortswechsel. Auf der großen Bühne hat gerade der Singer und Songwriter Bene gespielt. Die Stimmung ist entspannt, es gibt Bratwurst, Bier und Brause. Hier hält Videojournalist Tomasz seinen Talk über Journalismus auf Youtube.

Tomasz stellt fest: “Seit 2017 gibt es ein Problem auf Youtube: Die Monetarisierung.” Er spielt damit auf eine Änderung an, die vor allem kleine Creator betraf. Youtube erschwerte es ihnen, ins Partnerprogramm aufgenommen zu werden, um mit ihren Inhalten Geld zu verdienen. Betroffen waren viele Creator von Politikformaten, denn die Produktion von journalistischen Inhalten dauert in der Regel länger als seichtere Unterhaltung und wird zudem weniger geschaut.

CC0 Lizenz: Daniel Großjohann/re:publica
CC0 Lizenz: Daniel Großjohann/re:publica

Einen weiteren Grund, warum Journalismus auf Youtube ein Trauerspiel sei, sieht Tomasz bei den Creatorn selbst. Er sagt: “Wenn man als Youtuber eine junge Zielgruppe hat und dann Falschmeldungen in Umlauf bringt, ist das schwierig.” Und dann sei da noch das Problem mit der Trennung von Fakt und Meinung. Für Tomasz ist klar: “Wer nicht objektiv sein will – das ist vollkommen okay. Aber das muss abgesetzt funktionieren und darf nicht gemischt werden.” Die Tagesschau mache das richtig, aber die gucke ja keiner – nur alte Leute ab 70.

Juno*Marie – Hürden von Queers im Schulalltag

Welchen Hürden sind Queers im Schulalltag ausgesetzt? Diesen Talk hält Juno* und beweist damit Mut. Denn das Netzfest ist kostenlos und für jeden geöffnet – es war also nicht abzusehen, ob Juno*, der*die sich keiner Geschlechtskategorie zuordnen möchte, mit ihren*seinen Worten vielleicht provoziert.

Juno* sagt, wo andere  vielleicht das Wort “man” verwenden würden, ganz ohne Anstrengung lieber “Mensch”. Sie*Er spricht von der Problematik der Toilettensituation, fordert eine dritte Umkleidekabine, erzählt offen über seinen*ihren Kampf, mit einem anderen Vornamen im Klassenbuch gelistet zu werden.

CC0 Lizenz: Daniel Großjohann/re:publica
CC0 Lizenz: Daniel Großjohann/re:publica

Das Publikum ist gemischt – es hören Männer und Frauen zu. Manche haben ein Kopftuch auf, ein älterer Herr gibt regelmäßig ein konzentriertes “Mh-mh” von sich. Die Zuhörenden scheinen mitfühlend, offen und neugierig zu sein.

Julius – Die ultimative (alternative) aktuelle Anleitung zum Filmemachen

Beim letzten TINCON-Talk des Tages wird es noch einmal richtig voll. Julius ist zwar erst 17, aber was das Filmemachen angeht ein absoluter Profi. In Potsdam Babelsberg geht er auf ein Filmgymnasium, er arbeitete bereits mit Oscargewinnern zusammen.

Im Talk erklärt er die einzelnen Schritte zur Filmproduktion – und stellt klar: “Wir reden über No Budget Filme. Drehen ohne Geld.” Ein Tipp von Julius: Be a copycat! Einfach die Lieblingsszene des Lieblingsfilms eins zu eins kopieren und nachdrehen. So versteht jede*r neue Filmemacher*in, welche Ideen der Regisseur wie umgesetzt hat. Ein weiterer Tipp: Zu jedem Film findet sich im Netz das Drehbuch. Wer seinen Lieblingsfilm schaut und dabei das Drehbuch mitliest, lernt viel über das Scripten.

CC0 Lizenz: Daniel Großjohann/re:publica
CC0 Lizenz: Daniel Großjohann/re:publica

Julius ist ein Profi. Er bringt super viel Wissen mit, erzählt locker und teilt seinen großen Erfahrungsschatz gern. Einer seiner wichtigsten Ratschläge ist wohl der: Shit will go wrong! Dinge werden auf jeden Fall schief gehen. Spannend wird es, wie die dann gelöst werden.

Netzfest – gimme more

Kaum zu glauben, dass das echt das erste Netzfest war. Das „digitale Volksfest“ fühlte sich bereits so etabliert an, dass wir uns nicht vorstellen können, die re:publica im nächsten Jahr nicht wieder so ausklingen zu lassen.

Seid ihr dagewesen? Was war euer Highlight. Schreibt es uns in die Kommentare!

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